Mitten in der Krise

„Man will sich ja informieren!“, entgegnet mir meine Nachbarin am Telefon, als ich mich leise über den Corona-Informationsmarathon beschwerte. Und ja, da hat meine Nachbarin zweifelsohne recht, vor allem, wenn sie wie viele andere in ihrem Alter seit Wochen nicht mehr am täglichen gesellschaftlichen Stadtleben teilnehmen kann, um sich und ihren Mann vor einer Ansteckung zu schützen. Ob sie denn was bräuchte, fragte ich sie bei meinen allwöchentlichen Anrufen. Nein, sie sei gut versorgt. Immerhin habe sie immer etwas im Vorrat und ein bisschen kürzer treten schade ja auch nicht. Und dann fing sie mir gleich begeistert an zu erzählen, was sie für heute zum Mittagessen geplant hätte: Kohl süß-sauer gewürzt mit Kotelett und Kartoffeln (Kohl würde sich ja lange halten und den hätte sie noch aus dem Vorrat). Da wurde ich nachdenklich und mir gingen die Bilder meiner letzten Einkäufe im Supermarkt durch den Kopf, die fortwährenden leeren Nudel-, Mehl und Konservenregale. Als könnte meine Generation nur Spaghetti mit Tomatensauce oder Pizza aus dem Ofen zubereiten.

Wir wissen gar nicht mehr, aus Nichts etwas zu machen, geschweige denn uns überhaupt selbst auszuhalten. „Was soll ich bloß den ganzen Tag anfangen, wenn ich ab morgen nicht mehr zur Arbeit gehen kann?“, meinte ein Mitarbeiter aus einem Elektrofachhandel zu mir einen Tag vor Schließung der Filialen wegen des Corona-Virus. Halbherzig entgegnete ich damals noch „Fensterputzen?!“, weil ich völlig irritiert war aufgrund der Hilflosigkeit des jungen Mannes, der gerade mal Anfang 20 war!

Unsere ältere Generation braucht unsere Hilfe gerade in diesen Zeiten. Aber eigentlich brauchen sie nur unsere Beine, unsere Arme aber ganz gewiss nur wenige auch unseren Kopf. Denn eines haben die Älteren uns allen voraus: sie haben bereits lernen müssen, sich auf ein Minimum einzuschränken. Nicht den Kopf in den Sand zu setzen, sondern jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt und das Beste daraus zu machen.

„Solange wir noch einigermaßen morgens aus dem Bett krabbeln können und abends auch wieder ohne Hilfe hineingelangen, geht es uns gut. Das bisschen Zwicken und Zwacken gehört halt dazu!“, sprach meine betagte Nachbarin am Telefon und wünschte mir für dieses Mal wieder eine gute Woche.